Essgewohnheiten nicht analysieren
Wenn Sie sich zu Tisch setzen, was sehen Sie dann vor sich? Etwas köstliches? Kraftstoff, mit dem Sie bis zur nächsten Mahlzeit durchhalten? Etwas zum Genießen? Eine Anhäufung von Zahlen oder eine analytische Herausforderung?
Im modernen Informationszeitalter haben die Gesundheitsbewussten unter uns Zugang zu einer grenzenlosen Fülle an Informationen und Ressourcen, mit denen wir unser persönliches Wissen über alle Aspekte eines gesünderen Lebensstils beliebig erweitern können. Was für eine Errungenschaft!1
Gerade was unsere Ernährung betrifft, sind die stets gegenwärtigen Informationen, was wir denn nun essen und trinken sollten und was lieber nicht, mittlerweise sehr komplex. Wer sich dafür interessiert und den Zeitaufwand nicht scheut, begegnet schnell einer Unzahl an Diäten und speziellen Ernährungsweisen. Meist liegt der Schwerpunkt auf der Gewichtsabnahme, zusätzlich werden oft auch zahlreiche weitere Vorteile in Aussicht gestellt, darunter ein gesteigertes Leistungs- und Konzentrationsvermögen, ein verbesserter Stoffwechsel und vieles mehr.
Ist diese Entwicklung nicht etwas positives? Je besser wir uns mit unserer Nahrung auskennen, desto fundierter sind doch auch die Entscheidungen, die wir in Bezug auf unser Essen und eine gesunde Ernährungsweise treffen!
Ja, generell ist das schon richtig. Doch nun die Frage: Kann die akribische Analyse unserer Nahrung nicht auch negative Verhaltensweisen hervorrufen?
Haben Sie sich beim Betrachten Ihrer Mahlzeit schon mal dabei ertappt, dass Sie den Tellerinhalt in Gedanken auseinander nehmen und seine Bestandteile je nach Fettgehalt, Grad der industriellen Fertigung, Zuckeranteil usw. bewerten?
Analyse bis ins letzte Detail
Jeder hat seine eigene Methode, Vorsätze für eine gesündere Ernährung in die Tat umzusetzen. Aber was wir alle dazu brauchen, ist Willensstärke.
Willensstärke ist gut. Wenn wir aus eigenem Antrieb Schritte unternehmen, die unsere Gesundheit und unseren Lebensstil verbessern, stärkt dies unser Selbstvertrauen. Allein die Entscheidung, z. B. weniger Fertiggerichte zu essen oder mehr Vollwertkost in unsere Ernährung einzubauen, verdient Anerkennung.
Wenn Menschen jedoch eine eiserne, unbeugsame Disziplin an den Tag legen und sich damit eine plötzlich radikal andere Lebensweise vorschreiben, kann dies durchaus Grund zur Sorge sein.
Solche extremen, übertriebenen Zielsetzungen können auch negative Folgen haben: Vielleicht eine Einladung zum Essen ausschlagen zu müssen aus Angst, dass der Gastgeber ungesunde Zutaten verwendet; an Pedanterie anmutende Genauigkeit, was die Reinheit des Essens betrifft oder sogar die Verbannung einer ganzen Lebensmittelgruppe aus dem Speiseplan!
Für andere wiederum geht es um Kontrolle. Täglich erreichen uns neue Informationen über ungesunde Lebensweisen und potentielle Folgen eines modernen Lebensstils. Essen scheint einer der wenigen Aspekte zu sein, die wir noch selbst beeinflussen können. Mit all diesen Warnhinweisen im Hinterkopf genießen wir es, zumindest darüber die Kontrolle zu besitzen.
Gerade in jüngerer Zeit wird dieses Phänomen immer häufiger diskutiert. Es gibt eine neue Denkrichtung, deren Vertreter vor dieser Art der übergenauen Analyse warnen: Eine zwanghafte, vermeintlich gesunde Kontrolle unserer Nahrung könne sogar ungesund sein. Wer seine Ernährung haargenau überwacht, ist im besten Fall sehr wählerisch. Im schlimmsten Fall können wir unserem Körper durch eine bestimmte Ernährungsweise oder Diät aber sogar wichtige Nährstoffe vorenthalten.
In der Tat sind nur sehr wenige Menschen in diesem extremen Ausmaß betroffen. Die Diskussion zeigt jedoch, wie „gesunde“ Essensgewohnheiten zu einem unerwartet zwanghaften Verhalten führen können.
Gut und gesund essen – nicht nur nach Tabelle
Wer sein Essen ständig in Zahlen und Prozentsätze umrechnet, verliert schnell die Freude an einem bedeutenden Bestandteil unseres täglichen Lebens. Es ist unbestreitbar, dass wir uns über unsere Nahrung Gedanken machen sollten. Doch anstatt uns dabei den Kopf zu zerbrechen, reicht ein vernünftiger, bewusster Ansatz.
Wichtig ist zum Beispiel zu wissen, dass viele Nährstoffe bei der industriellen Lebensmittelherstellung durch die verschiedenen Konservierungsverfahren zerstört werden und der Geschmack künstlich verstärkt wird. Wann immer möglich sind daher Bioprodukte bzw. Produkte ohne künstliche Zusatzstoffe vorzuziehen. Eine gesunde Grundnahrung besteht idealerweise aus viel Bio-Obst und -Gemüse, Nüssen, Samen, Eiern aus Freilandhaltung, frischem Fisch und magerem Bio-Fleisch.
Dank dem Wissen um die besten Nahrungsmittelquellen können Sie eine für sich und Ihre Lebensweise passende Balance finden: Ein guter Ansatz, mit dem Sie nicht zulassen, dass Ihr Leben von einer selbstauferlegten Doktrin regiert wird. Es gibt unzählige Möglichkeiten mit ein bisschen Kreativität neue Gerichte und Kombinationen zusammenzustellen, die sowohl ihren Magen als auch Ihre Lust auf Neues zufrieden stellen sollten – wann immer es die Zeit erlaubt, natürlich!
Mit einer ausgewogenen Ernährung müssen Sie auch um Ihr Lieblingsgericht keinen Bogen machen. Ein Stück Schokolade, ein Glas Wein und die ein oder andere Leckerei: Kein Grund zum Verzicht, solange wir unsere Essgewohnheiten insgesamt auf eine ausgeglichene, hochwertige Nahrung umgestellt haben.
Gutes und gesundes Essen bietet2 so viel mehr als nur die physikalischen Bestandteile unserer Nahrung. Wohlgefühl, Genuss und Kreativität im Umgang mit unserem Essen gehören alle zu einem gesunden, ganzheitlichen Ansatz. Um das ideale Gleichgewicht zu erreichen, sollten diese Aspekte nie zugunsten einer rundum „perfekten Ernährungsweise“ hintenan gestellt werden.